
Festrede von Prof. em. Dr. Gerhard Sauder
Universität des Saarlandes, Neuere Deutsche Literaturwissenschaft; ehemaliger Leiter der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes; Freund von Ludwig Harig
Ludwig Harig als Nothelfer bei der Gründungsveranstaltung des St. Ingberter Literatur-Forums am 6. Oktober 1981
Die Parallelität zwischen der St. Ingberter Gründungsveranstaltung am 6. Oktober 1981 und der heutigen Gründung einer Ludwig-Harig-Gesellschaft ist offenkundig. Allerdings war Ludwig Harigs Mitwirkung durch eine Lesung erst für den 9. Dezember 1981 vorgesehen. Zur Gründungsveranstaltung war Peter Härtling eingeladen worden.
Aber am Nachmittag des 6. Oktober erhielt Fred Oberhauser, der Gründer und Initiator des ILF, von Frau Härtling einen Anruf im Auftrag ihres Mannes, er könne nicht nach St. Ingbert kommen, da die Polizei in Frankfurt gegen seine Freunde, die den Bau einer dritten Landebahn im Flughafen verhindern wollten, eine Aktion plane. Da er selbst zu den den Initiatoren der Proteste gegen die Startbahn West gehöre, der ein größeres Waldstück geopfert werden solle, könne er seine Freunde nicht im Stich lassen. Fred Oberhauser erklärte, man müsse zwar persönlich Verständnis für diese Entscheidung haben. Aber aus der Sicht des Literatur-Forums könne er die Entscheidung Härtlings nicht billigen.
Aber ein Anruf beim Freund Harig in Sulzbach genügte, um ihn als Nothelfer zu gewinnen. Die zahlreich erschienenen Zuhörer – 300 füllten die Stadthalle – waren Oberhauser für seine Entscheidung, Harigs Lesung statt im Dezember für diesen Abend ersatzweise vorzusehen, dankbar und begrüßten den inzwischen berühmten saarländischen Autor herzlich und keineswegs bloß als „Ersatz“-Mann. Und für ihn war diese Lesung ein erfreulicher Erfolg – vor so viel Publikum hatte er bisher im Saarland wohl nicht gelesen. Dabei erinnerten sich manche Zuhörer als Harig-Leser, wie seiner Selbstcharakteristik anlässlich eines Empfangs zur Eröffnung der „Hanser-Literatur-Woche“ im Zunfthaus zur Meisen in Zürich nahezu 250 Menschen ein kaltes Büffet vorzogen, „während der Redner seine Botschaft verkündigte.“ (Recl. 95)
In seiner „Zürcher Rede über die Notwendigkeit der Luftkutscherei“ hatte er den Literaturinteressierten erklärt, dass er ein „Luftkutscher“ sei – diesen Titel hatte ihm schon seine Grossmutter verliehen. Er „zünde mit seinen Wörtern bunte Raketen“; stehe wie der Clown im Zirkus und balanciere mit den Wörrtern auf der ausgestreckten Zunge“ (Recl.84); er „muß so kunstvoll drehen, so scharfzüngig balancieren, so gewitzt zünden, dass am Ende die Wirklichkeit in der Vorstellung vorgestellt und die Vorstellung in Wirklichkeit wirklich und kein Luftgespinst, kein Luftgesicht, kein Luftschloß, sondern ein lebensnotwendiges Reich des Spielerischen ist, in dem es keine Verkrüppelungen gibt, auch wenn es unterst zu oberst mit halsbrecherischen Luftkutschereien zugeht.“(Recl. 88)
Einem ersten Plakat, das die Veranstaltungen des ILF von Oktober bis Dezember 1981 ankündigte, ist zu entnehmen, aus welchen Werken Ludwig Harig lesen würde: Aus „Die saarländische Freude“(1977), „Rousseau“ (1978), „Logbuch eines Luftkutschers“ (1981). Aus dem „Logbuch“ stammten die Zitate.
Ich bin sicher, dass der Sulzbacher Schriftsteller hier weder „Tadel“ noch „Missbilligung“, weder „Zurechtweisung“ noch „Zusammenstauchung“ geerntet hätte, sondern „Beifall“, „Lob“, „Achtung“ und „Anerkennung“. (Rcl. 85)